Eduard Pfeiffer um 1900

Eduard Pfeiffer

Am 08. März 1866 gründen engagierte Stuttgarter Bürger den Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen. Initiator, Gründungsvater und intellektueller Kopf des Vereins ist der Bankier und Geschäftsmann Eduard Pfeiffer. Erst seine großzügigen Stiftungen, Schenkungen und günstigen Darlehen machen den großen Erfolg möglich. Neben Ostheim entstehen die Siedlungen Westheim, Südheim und Ostenau, der Verein errichtet zwei Arbeiterwohnheime und ist für die Sanierung der Altstadt verantwortlich.

Pfeiffer wird am 24. November 1835 als dreizehntes Kind des Hofbankdirektors Marx Pfeiffer und seiner dritten Frau Pauline in Stuttgart geboren. In seinen Studienjahren reist er durch Europa, dabei lernt er in England auch die Schattenseiten der Industriellen Revolution kennen: „Das rosige Bild des riesigen Wachstums unserer Industrie und unseres Handels hat leider eine schwarze Kehrseite: es ist dies der Zustand, in dem sich die arbeitenden Klassen befinden“, so schreibt er 1863 in „Über Genossenschaftswesen. Was ist der Arbeiterstand in der heutigen Gesellschaft? Und was kann er werden?“.

Pfeiffer will die arbeitende Klasse an die bürgerliche Gesellschaft anbinden, für ihn der einzige Weg, langfristig den sozialen Frieden zu sichern. Er gehört zu den Wegbereitern und ideologischen Vordenkern der Genossenschaftsbewegung in Deutschland. Am 13. Mai 1921 stirbt Pfeiffer im Alter von 85 Jahren: Hochgeehrt, als Ehrenbürger der Stadt Stuttgart, als geadelte Exzellenz und Geheimer Hofrat. Das kinderlose Ehepaar Pfeiffer vererbt ihr gesamtes Vermögen der 1917 gegründeten Eduard-Pfeiffer-Stiftung.08

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Dr. Bernd Langner: Studium der Kunstgeschichte und Germanistik in Stuttgart. Promotion über die Bauprojekte des Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen unter Eduard Pfeiffer und dessen Architekt Karl Hengerer. Zahlreiche Veröffentlichungen, Vorträge und Führungen zur Stadt-, Kunst- und Baugeschichte Stuttgarts und Württembergs. Beruflich und als Gutachter langjährige Tätigkeit im Denkmalschutz und in Projekten zum Erhalt der Kulturlandschaft. Bis 2013 Lehrbeauftragter an der Universität Stuttgart für Kunst- und Architekturgeschichte. Heute Geschäftsführer des Schwäbischen Heimatbundes e.V. mit Aufgaben in Natur- und Denkmalschutz sowie Landeskultur und Landeskunde.

Eduard Pfeiffer wird am 24. November 1835 in Stuttgart geboren. Er stammt aus einer wohlhabenden, jüdischen Bankiersfamilie. Sein Vater, Hofbankdirektor Marx Pfeiffer, war in erster und zweiter Ehe mit Töchtern der Stuttgarter Familie Kaulla verheiratet, den Mitgründern der Württembergischen Hofbank. Pauline Wittersheim, Tochter des einflussreichen Oberrabbiners von Metz und Mutter von Eduard, heiratete er 1823 in dritter Ehe. Eduard ist das jüngste von insgesamt 13 Kindern Marx Pfeiffers.

Als sein Vater stirbt, ist Eduard Pfeiffer noch keine sieben Jahre alt. Er wächst jedoch in dem engen und warmen Familienzusammenhalt der Großfamilien Kaulla und Pfeiffer auf.

Pfeiffer besucht die Polytechnische Schule in Stuttgart, dort ist er zunächst für die Fachrichtung „Ingenieur“ eingeschrieben, dann für die Fachrichtung „Kaufmann“.

Die renommierte „Ecole Centrale des Arts Manufactures“ in Paris graduiert Pfeifer zum Diplomingenieur mit Fachrichtung Chemie.

Nach seinem Examen studiert Eduard Pfeiffer Nationalökonomie und Finanzwissenschaft in Leipzig, Heidelberg und Berlin. Er unternimmt ausgedehnte Reisen durch Frankreich, Italien und wahrscheinlich in weitere europäische Länder. 1862 besucht er die Weltausstellung in England. Dort lernt er auch das englische Arbeitergenossenschaftswesen kennen, was für sein weiteres Leben von entscheidender Bedeutung sein sollte: Pfeiffer wird zum ideenreichen und konsequenten Vorkämpfer für soziale Reformen zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der lohnabhängigen Arbeiter.

Seit den frühen 1860er Jahren ist Eduard Pfeiffer in der Politik aktiv: Er ist Mitglied der Fortschrittspartei, einer Honoratiorenpartei, die sich locker um liberale Landtagsabgeordnete gruppiert. Viele Parteifreunde, die er hier findet, werden zu treuen Wegbegleitern.

Sein Vermögen erlaubt es Pfeiffer, ohne feste Anstellung als freier Schriftsteller und Privatgelehrter zu leben. Sein erstes Buch erscheint 1863: „Über Genossenschaftswesen. Was ist der Arbeiterstand in der heutigen Gesellschaft? Und was kann er werden?“ Eduard Pfeiffer gilt als wichtiger Pionier der Genossenschaftsbewegung in Deutschland, er sah in ihr die Chance, der Arbeiterklasse Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten.

„Merkt es Euch, Ihr Mächtigen und Reichen, die Ihr behaglich dahinlebt, ohne Euch um das Loos Derer zu bekümmern, durch die allein der ganze Comfort, der Euch umgibt, geschaffen wurde! […] Der Proletarier hat angefangen, das Drückende, das Ungerechte und entwürdigende seiner Lage einzusehen. Er wird sie ändern! Alles kommt nur darauf an, daß die Bewegung zum allgemeinen Besten geleitet werde. Um Eurer selbst willen, im Interesse der Menschheit verschließt Euer Ohr nicht gegen die Stimmen, die es versuchen, den richtigen Weg anzugeben, und stemmt Euch nicht gegen die ruhige Bewegung, damit sie nicht zum verheerenden Strome anschwelle, vielmehr begünstigt und fördert sie, so viel es in Euren Kräften steht, es muß Euch dies Euer eigenes enges und egoistisches Interesse so angeben, wenn es Euch nicht die Menschlichkeit gebietet!“ (Eduard Pfeiffer, in „Über Genossenschaftswesen“. Zitiert nach: „125 Jahre Bau- und Wohlfahrtsverein Stuttgart“, Wolfgang Schmierer, Hans Weber, S. 15)

1863 bittet der Stuttgarter Arbeiterbildungsverein Eduard Pfeiffer, bei der Gründung eines Konsumvereins zu helfen. Pfeiffer entwirft das Betriebskonzept und übernimmt im November 1864 den Vorsitz im Verwaltungsrat des Consum- und Ersparnisverein. Das Unternehmen wächst schnell, wird von den Arbeitern angenommen und kann schon bald eigene Läden eröffnen.

Ebenfalls 1864 tritt Pfeiffer dem Arbeiterbildungsverein bei und übernimmt ein Jahr später das Amt des Hauptkassiers. Er sollte das Amt 37 Jahre lang behalten

Veröffentlichung seines zweiten Buches: „Die Consumvereine, ihr Wesen und Wirken.“ Pfeiffer bietet in diesem Buch eine praktische Anleitung zur Gründung und zum Betrieb von Konsumvereinen.

Eduard Pfeiffer hat entscheidenden Anteil an der Gründung des Arbeitsnachweisbüros. Dieses vermittelt, vermutlich erstmals in Deutschland, Arbeit ohne kommerzielles Eigeninteresse.

Um die expansionsbedürftige heimische Industrie zu fördern, setzt sich Pfeiffer für die Gründung der Württembergischen Vereinsbank ein. Im März wird für die Geschäftsbank das Konzessionsgesuch eingereicht. Vier Jahre später, 1869, kann die Bank eröffnet werden. Pfeiffer wird in den Aufsichtsrat gewählt. Für die Anfangszeit übernimmt er kommissarisch den Vorsitz des Verwaltungsrats. Im selben Jahr noch beteiligte sich die Vereinsbank an der Gründung der Deutschen Bank.

Sein umfangreichstes Buch erscheint in zwei Bänden: „Die Staatseinnahmen. Geschichte, Statistik, Kritik“. Für die Veröffentlichung erhält er den Doktortitel.

Pfeiffer ist im Stuttgarter Besitzbürgertum bestens vernetzt. Das ermöglicht ihm im Frühjahr 1866 die Gründung des Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen. Dieser ist zunächst als Förderverein für den Arbeiterbildungsverein und den Konsumverein gedacht. Der Verein erlebt in den folgenden Jahren und unter der Leitung Pfeiffers jedoch einen beeindruckenden Aufschwung und nimmt maßgeblich Einfluss auf die Stuttgarter Stadtentwicklung.

Am 7. August gründet Pfeiffer gemeinsam mit seinen Freunden Hölder, Steiner, Müller und Siegle die nationalliberale Partei Württembergs unter dem Namen „Deutsche Partei“. Die Partei tritt für die Errichtung eines Nationalstaates unter der Führung Preußens ein. Pfeiffer finanziert die Parteizeitung und wird Mitglied des wenig später gewählten Landesvorstandes.

Im Frühjahr 1868 kandidiert Pfeiffer im Wahlkreis Ulm für das Deutsche Zollparlament, er unterliegt jedoch gegen den Tübinger Volkswirtschaftsprofessor Albert Schäffle. Wenige Monate später siegt er jedoch bei der Landtagswahl und zieht als jüngster Abgeordneter in den württembergischen Landtag ein.

Nach acht Jahren, 1876, verzichtet Pfeiffer auf eine erneute Landtagskandidatur.

1872 heiratet Pfeiffer Julie Benary, die 29jährige Witwe des Pariser Bankiers Benary und Tochter aus der Frankfurter Bankiersfamilie Kann. Sein Vermögen vergrößert sich damit noch einmal beträchtlich. Um 1910 besitzt das Ehepaar über 10 Millionen Goldmark, womit sie zu den reichsten Bürgern im Königreich Württemberg gehören. Zeitlebens setzt Pfeiffer sein Vermögen gezielt für das Gemeinwohl ein. Seine Frau unterstützt ihn dabei und arbeitet tatkräftig im Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen mit.

Pfeiffer gehört vielen weiteren Vereinen und Einrichtungen an. Als Mitglied von Aufsichtsräten in führenden württembergischen Unternehmen übt er einen bedeutenden Einfluss auf das Wirtschaftsleben im Land aus.

Nach dem Ende seiner politischen Karriere übernimmt Pfeiffer den Vorsitz des Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen, den er bis kurz vor seinen Tod 1921 behält.

Aufgrund seiner Verdienste wird Pfeiffer zum Geheimen Hofrat ernannt.

Pfeiffer bekommt das Ehrenkreuz des Ordens der württembergischen Krone verliehen. Damit verbunden ist der Personaladel; er darf sich von nun an „von“ Pfeiffer nennen. Von diesem Privileg macht er allerdings nur sehr selten gebrauch.

Wegen seiner Verdienste um die Altstadtsanierung ernennt die Stadt Stuttgart Pfeiffer zum Ehrenbürger.

Das Ehepaar Pfeiffer gründet die Eduard-Pfeiffer-Stiftung, die Alleinerbin des beträchtlichen Vermögens der beiden.

Die Stiftung soll „gemeinnützigen Zwecken dienen, und zwar […] einerseits das leibliche und soziale Wohlbefinden, andererseits die geistige und sittliche Entwicklung der Minderbemittelten fördern“ (Anbringung an den König 1917, zitiert nach „125 Jahre Bau- und Wohlfahrtsverein Stuttgart“, S.25).

Als Einzelaufgaben sind genannt: Körperliche und geistige Förderung von Kindern nichtbemittelter Eltern, Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands, Hebung der Volksbildung, Milderung der Gegensätze zwischen den Volksklassen und Konfessionen, Belebung des Sparsinns, Erleichterung des Personenkredits und Bekämpfung des Wuchers.

Eduard Pfeiffer stirbt im Alter von 85 Jahren