Ostheim – die Arbeiter-Villen-Kolonie

Die Fassaden der Häuser in Ostheim sind so abwechslungsreich wie bürgerliche Gründerzeitvillen: Gotische Bauelemente wechseln sich mit Treppengiebeln und stilistischen Anlehnungen an die Renaissance ab. Damit unterscheidet sich Ostheim grundlegend von Arbeitersiedlungen, wie wir sie aus dem Ruhrgebiet, Berlin oder Großbritannien kennen, in denen sich uniforme Häuserzeilen zu uniformen Straßenzügen verbinden.

„Vom sozialen Gesichtspunkt legen wir Wert darauf, zu zeigen, daß nach unserer Auffassung der Lohnarbeiter keine von den übrigen Berufsarten getrennte Klasse der Bevölkerung bildet, mit dem das Zusammenleben vermieden wird.“ So schreibt es der Verein in seinem Rechenschaftsbericht von 1892/93. Diesen Anspruch soll auch die Architektur widerspiegeln.

Ostheim ist eines der ersten Bauprojekte in Deutschland überhaupt, für deren Entwürfe man einen offenen Wettbewerb ausschreibt. Das Architekturbüro Heim&Hengerer setzt sich mit seinen Entwürfen gegen 52 Mitbewerber durch. Den Architekten ist es gelungen, bürgerliche Architektur darzustellen, dabei die Kosten jedoch gering zu halten.

Neben Heizern und Maschinenbauern wohnen Buchdrucker, Schuhmacher, Diener und Tagelöhner in Ostheim. Auch kleine Beamte, Privatangestellte und Geistliche gehören zur Mieterschaft. Alles zum Leben gibt es vor Ort: In den Eckgebäuden und am Teck-Platz entstehen Geschäfte, es folgen ein Postamt, eine Polizeistation, eine Arztpraxis, eine Schule, eine Bücherei und ein Spielplatz.

In der Schwarenbergstraße 64, am Kopf der Neuffenstraße, errichtet der Verein 1896 eine Kinderkrippe, in der zwischen 50 und 90 Kinder Betreuung finden. Heute beherbergt das schöne Gebäude den Geschäftssitz des BWV.

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Dr. Bernd Langner über die Siedlung

Dr. Bernd Langner: Studium der Kunstgeschichte und Germanistik in Stuttgart. Promotion über die Bauprojekte des Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen unter Eduard Pfeiffer und dessen Architekt Karl Hengerer. Zahlreiche Veröffentlichungen, Vorträge und Führungen zur Stadt-, Kunst- und Baugeschichte Stuttgarts und Württembergs. Beruflich und als Gutachter langjährige Tätigkeit im Denkmalschutz und in Projekten zum Erhalt der Kulturlandschaft. Bis 2013 Lehrbeauftragter an der Universität Stuttgart für Kunst- und Architekturgeschichte. Heute Geschäftsführer des Schwäbischen Heimatbundes e.V. mit Aufgaben in Natur- und Denkmalschutz sowie Landeskultur und Landeskunde.